57. "Leben live"-Gottesdienst, 28. Januar 2012
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt: "Ich bin halt so ..."

Es gilt das gesprochene Wort!



"Ich bin halt so …" -
Passivität - "Prokrastination" - "Aufschieberitis" - "Heute-nicht-Syndrom"


Irgendwie kennt das jeder von uns.

"Aufschieber", Leute also, die ihre Dinge immer auf den letzten Drücker machen, sind nicht faul. Sie sind ununterbrochen beschäftigt, arbeiten meist sogar erstaunlich effizient und auf vielen Feldern gleichzeitig - nur nicht an der Aufgabe, die eigentlich dran wäre.

In der Bibel hat das "Heute" einen ganz besonderen, geradezu himmlischen, göttlichen "Klang":

Der Prophet Elia betet: "Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute kundwerden, dass du Gott in Israel bist und ich dein Knecht und dass ich das alles nach deinem Wort getan habe!" (1. Könige 18,36)

In den Sprüchen des Königs Salomo lesen wir unter den so genannten "Worten der Weisen": "Damit deine Hoffnung sich gründe auf den Herrn, erinnere ich daran heute gerade dich" (Sprüche 22,19).

In der Weihnachtsgeschichte sagt der Engel zu den Hirten: "… euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids" (Lukas 2,11).

Bei seiner "Antrittspredigt" in Nazareth sagt Jesus zu den Anwesenden über ein Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja: "Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren." (Lukas 4,21).

Jesus sagt zu dem neben ihm gekreuzigten Verbrecher: "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein" (Lukas 23,43).

"Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht" (Hebräer 3,7f).

Das "Morgen" kommt dagegen in der Bibel nicht gut weg:

"Sprich nicht zu deinem Nächsten: Geh hin und komm wieder; morgen will ich dir geben -, wenn du es doch hast" (Sprüche 3,28).

"Ihr wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet" (Jakobus 4,14).

Deshalb lohnt es sich, die "Prokrastination" bzw. "Aufschieberitis" als Problem wahrzunehmen, als Fehlhaltung der Passivität, die manches Gute im Leben verhindert oder blockiert.

Schäme dich nicht
Es gibt ja auf allen Gebieten Experten. Die Bezeichnung "Prokrastination", die viele von uns heute wohl zum ersten Mal überhaupt gehört haben, ist im englischen Sprachraum durchaus verbreitet: "procrastination". Einer der führenden Spezialisten in Sachen "procrastination" ist Joseph Ferrari von der de Paul University in Chicago. Er fasst seine Forschungsergebnisse knapp zusammen: "Jeder schiebt auf, jeder. Es ist keine Unart, sondern eine menschliche Eigenschaft. Unterschiedlich ist nur, welche Art von Arbeiten jemand aufschiebt und wie oft man es tut."

Etwa 15 Prozent gelten als chronische Aufschieber, die so gut wie gar nichts sofort anpacken - viele von ihnen sogar mit einem gewissen Stolz. Sie behaupten, unter Druck besser arbeiten zu können. Subjektiv gesehen stimmt das sogar, aber nur eine Zeit lang. Auf lange Sicht führt die permanente unterschwellige Angst, es vielleicht doch nicht zu schaffen, zu einer sanften, aber hartnäckigen Depression. Deshalb lohnt es sich auch für subjektiv zufriedene Aufschieber, ihren Arbeitsstil zu ändern:

Was können wir denn tun, um die Prokrastination, die manche auch als "Aufschieberitis" bezeichnen, in Griff zu bekommen? Ein paar Strategien:

Strategie 1: 21 Tage ohne Verspätung
Auch wenn du zu den schlimmsten Aufschiebern oder Terminchaoten gehörst: Höre 3 Wochen lang damit auf - z. B. in einer Phase, in der es weniger zu tun gibt. Oder nach einem Urlaub, wenn du voller Energie steckst. Denn: Was ein Mensch 21 Tage lang durchhält, kann zu einer neuen Gewohnheit werden.

Strategie 2: Erledigen, aber nicht ganz
Aufschieber schieben vor allem das Anfangen auf. Überliste dich, indem du be-schließt: Ich fange die ungeliebte Aufgabe jetzt sofort an, höre aber bald wieder damit auf. Du wirst sehen: Beim nächsten Mal fällt das Anfangen schon viel leichter. Du trainierst damit (wie ein Sportler nach einer Verletzung) einen besonders schwierigen Teilbereich deines Problems.

Strategie 3: Teamdruck nutzen
Das funktioniert natürlich nur in den Bereichen, wo man im Team arbeitet. Wer allein arbeitet, findet einfach mehr Gelegenheiten zum Aufschieben als jemand, der von anderen beobachtet und begleitet wird. Umgib dich mit Menschen, die deinen Fortschritt wahrnehmen, kontrollieren und deine Erfolge auch loben. Gib bekannt, was du bis wann schaffen möchtest. Lass dich unterstützen, anfeuern und überliste deinen inneren Schweinehund mit dem dadurch entstehenden sozialen Sog.

Strategie 4: Ende vorwegnehmen
Stell dir immer wieder vor, wie es sein wird, wenn du deine so oft verschobene Aufgabe endlich erledigt hast: Wie du dich fühlst, was andere dazu sagen, was es - vielleicht sogar finanziell - bringt. Damit bekämpfst du die Visions- und Mutlosigkeit, die der Hauptnährboden für das Heute-nicht-Syndrom ist.

Die drei großen Blockaden

Die meisten Aufschieber haben einen guten Grund, nicht anzufangen. Wenn du diese innere Motivation erkennst und überwindest, hast du schon gewonnen:

Perfektionismus. In vielen Aufschiebern sitzt ein innerer Qualitätsmanager mit übermäßig hohen Ansprüchen. Sein Konzept: Bevor etwas nur mittelprächtig gelingt, lassen wir's lieber ganz - oder warten auf später.

Angst. Es gibt die Furcht vor Fehlern genau so wie die Angst vor Erfolg. Wenn du dich in einer Aufschiebe-Situation ertappst, nimm dir 10 Minuten Zeit und schreibe deine Bedenken auf. Stehen deine Ängste erst einmal schwarz auf weiß vor dir, haben sie keine Gewalt mehr über dich.

Unangenehme Gefühle. Schon ein kleines Unwohlsein kann dazu führen, dass du wie ein Pferd vor einem Hindernis scheust. Sage dann laut zu dir: "Ich mag das nicht, ich hasse das. Aber meine Größe besteht darin, dass ich es trotzdem tue."

Wir müssen uns also nicht mit dieser Fehlhaltung der Passivität abfinden, sondern wir können bewusst dagegen angehen.

"Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist" (Römer 12,11).

Wenn das "Heute" in Gottes Wort schon so einen himmlischen, göttlichen "Klang" hat, dann dürfen wir auch sicher sein, dass Gott uns durch seinen Heiligen Geist helfen will und helfen wird, unsere Passivität zu überwinden und das, was wir zu tun haben, auch beherzt anzupacken.

Wie sagte doch der Prophet Samuel zum König Saul: "Tu, was dir vor die Hände kommt; denn Gott ist mit dir" (1. Samuel 10,7)!


Lied: "Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin"


"Ich bin halt so …" - Rückwärtsgewandte Klage und Anklage

< "Klageweg" (zwei Wanderer unterhalten sich) >

"Mit dieser schlimmen Vergangenheit ist mir die Zukunft versperrt, also bleibt mir vom Leben nur die Klage und Anklage. Und das halte ich fest!" Menschen mit dieser Haltung beschäftigen sich also mit dem, was einmal gewesen ist und zwar vorwiegend mit dem Negativen. Sie leben quasi die Vergangenheit immer wieder.

Dadurch, dass sie ein hervorragendes Gedächtnis für Verletzungen haben, wird ihre Haltung geprägt. Sie gehen an alle Lebenssituationen mit dieser Einstellung heran und bewirken damit, dass das, was sie erwarten, auch tatsächlich eintritt. Ein deutsches Sprichwort drückt das so aus: "Wie man in den Wald hineinruft, so klingt es heraus."

Natürlich wissen diese Menschen nicht, dass sie selbst für das, was sie beklagen, die Weichen stellen. "Aber ich kann einfach nicht vergessen, was mir angetan wurde", sagen sie dann. Das mag sein, aber muss ich mich denn ausliefern, muss ich wirklich mein Leben davon bestimmen lassen? Ich muss nicht!

Die Ärztin und Psychotherapeutin Magdalene Furch schreibt einmal aus eigener Erfahrung:

"Ich habe vor einiger Zeit angefangen, in einem Bereich meines Lebens eine neue Einstellung und ein neues Verhalten zu erarbeiten. Lange beklagte ich die Tatsache, dass die Welt so unfreundlich geworden sei und niemand dem anderen Menschen mehr einen guten Tag wünsche! Nun grüße ich die Menschen, die mir begegnen, ganz bewusst. Es gibt nur wenige, die meinen Gruß achtlos hinnehmen. Einige reagieren erstaunt, aber die meisten lächeln und grüßen zurück. Ich kann also Freundlichkeit bewirken, wenn ich - statt bitter zu klagen über all die Gleichgültigkeit - selbst freundlich bin. So lässt sich die Gegenwart neu, besser gestalten.

In der Bibel wird für diese Anklagehaltung ein sehr anschauliches Bild benutzt. Jesus erzählt die Geschichte von einem Menschen, der pflügen will und rückwärts schaut. Wenn wir uns dieses Bild einmal vor Augen halten, so wird doch ganz klar, dass jemand, der beim Pflügen rückwärts schaut, mit Sicherheit ganz krumme Furchen ackert! Wahrscheinlich wird sich sein Pflug zudem sehr schnell an herumliegenden Steinen stumpf schlagen, weil er sie ja gar nicht wahrnimmt und darauf auch nicht angemessen reagieren kann.

Jesus sagt: "Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes" (Lukas 9,62). Nicht zufällig ist das der Wochenspruch des 3. Sonntags in der Passionszeit Okuli, an dem es besonders um die Nachfolge Jesu geht. Christsein können wir nicht mit einer rückwärtsgewandten Haltung, schon gar nicht passt eine rückwärtsgewandte Klagehaltung zum Christsein.

Seinen Pflug an herumliegenden Steinen stumpf schlagen, weil man sie ja gar nicht wahrnimmt und darauf auch nicht angemessen reagieren kann. Genau über dieses Gefühl klagen immer wieder Menschen mit der Fehlhaltung der rückwärtsgewandten Klage. Sie fühlen sich oft zusätzlich wundgeschlagen und empfinden, dass alles schiefläuft.

Ein Mann, der eigentlich im Leben heute recht gut dasteht - er hat einen guten Beruf, eine feine Frau, gesunde Kinder - konnte dennoch nicht richtig froh werden, weil er immer wieder viel Zeit damit verbrachte, ja verbringen musste, wie er sagt, um über die Kargheit und Ungerechtigkeit seiner Kindheit und Jugend nachzugrübeln.

Christsein ist keine Religion, die im Gestern lebt, sondern eine lebendige Beziehung zu Jesus heute. Wohl gibt es die großen Heilstatsachen, die "gestern", also in der Vergangenheit geschahen und bis heute und in alle Ewigkeit ihre Auswirkung haben. In diesem Sinn kann man sogar sagen, der Glaube lebt vom Gestern. Auf keinen Fall aber darf der Glaube im Gestern leben.

Im Gegenteil: Christen leben vom Ziel her, sie wissen, dass dieses Leben in Gottes Ewigkeit mündet. Sie leben nicht rückwärtsgewandt, sondern zukunftsorientiert, ewigkeitsorientiert. Da hat der Blick zurück in Klage und Zorn keinen Platz, sondern der Dank: "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat" (Psalm 103,2) …

Und schließlich: Der christliche Glaube findet sich niemals mit dem "Status quo" ab, mit den Verhältnissen, wie sie sind, sondern rechnet konkret mit Veränderung. "Gibt's nicht gibt's nicht!" "Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?" (1. Mose 18,14). Sollte der Gott, der Jesus von den Toten auferweckte, nicht in der Lage sein, die kleineren oder größeren Fehlhaltungen in unserem Leben zurechtzubringen und zu heilen - nicht unbedingt von jetzt auf gleich, aber in einem lebenslangen Prozess der Veränderung?!


Lied: "Herr, du gibst uns Hoffnung, du änderst unser Leben"

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht eine gesegnete Woche!